Decolonial Travel Guide Tanzania

Check your Privileges! Weiße deutsche Reiseprivilegien reflektieren

Henriette Seydel

Kalender

Ich lebe in einem Land, wo mir Urlaubstage zustehen. Als Arbeitnehmer*in habe ich das Recht auf Freizeit und Erholung. In meinem Land gibt es keinen Krieg oder andere Katastrophen.

Geldbeutel

Meine Arbeit wird gerecht entlohnt und ich habe gespart auf diese Reise. Ich kann mir den Flug und das Hotel leisten und freue mich auf Ausflüge in die Natur, auf lecker Essen gehen, auf schöne Souvenirs, auf Museumsbesuche, auf Wellness.

Reiseapotheke

Die vorgeschriebenen Schutzimpfungen habe ich mir im Vorfeld meiner Reise geholt und relativ problemlos bekommen. Einige kosteten Geld oder waren nur bei einer entfernteren Ärztin machbar, aber es ging verhältnismäßig unaufwändig. Der Impfstoff war da. Außerdem habe ich Magen-Darm-Tabletten, Pflaster, Kopfwehtabletten, Malaria-Medikamente, Mückenspray, Sonnencreme, ein Moskitonetz und meine Auslandsreiseversicherung dabei.

Reisepass

Der deutsche Reisepass landet beim Passport Index im weltweiten Ranking 2025 auf Platz 3. Ohne Visum oder mit „visa on arrival“ kann ich 175 Länder bereisen. Ich muss weder meine Kontoauszüge vorweisen, noch muss ich Angst haben, dass mein Visum nicht bewilligt wird. Für Tansanier*innen (Platz 65 im Visaranking) kostet das deutsche Tourist*innenvisum hingegen 90€, zusätzlich müssen sie eine Reisekrankenversicherung und die Kontostände der letzten drei Monate nachweisen. Visaanträge von Menschen aus Ländern des Globalen Südens werden in Deutschland überdurchschnittlich häufig abgelehnt, erklärt die Organisation VisaWie. Die Visavergabe werde so zum Mittel zur rassistischen und machtmotivierten Ausgrenzung von Menschen.

Hautfarbe

Als weiße Europäer*in werde ich am Flughafen nicht extra kontrolliert (Stichwort: Racial Profiling). In Tansania als „mzungu“ (Swahili für „Europäer*in/Weiße*r“) bezeichnet zu werden, war für mich das erste Mal, dass mein Weißsein markiert und benannt wurde. Mir wurde Kompetenz zugestanden, (die ich vielleicht garnicht habe), aber ich fühlte mich unwohl, entindividualisiert und mit Vorurteilen konfrontiert. Insbesondere die Reduzierung auf Wohlstand und Geld ärgerte mich. Ich fühlte mich so anders gemacht. Ist das Rassismus? Nein, ist es nicht. Denn Rassismus ist nicht nur die Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, (vermeintlicher) Herkunft und/oder Religion, sondern verweist auch auf eine jahrhundertelange Geschichte der systematischen und strukturellen Unterdrückung von Menschen, also zum Beispiel durch Sklaverei, Kolonisierung, Zwangsarbeit oder Religionsverbote.

#CheckYourPrivileges

Zum Beispiel mit der Power-Flower oder dem Privilegienrad. Und für Begegnungsreisen von Partnerschaftsgruppen helfen zur kritischen Vorbereitung die Reflexionsfragen in der Broschüre Das Märchen von der Augenhöhe: Macht und Solidarität in Nord-Süd-Partnerschaften von GLOKAL e.V.

Weiterführende Informationen
  • Ayikoru, Maureen (2024): Pragmatic Arguments for Decolonising Tourism Praxis in Africa, in:  International Journal of Tourism Space, Place and Environment, Volume 26.
  • Backes, Martina, Goethe, Tina, Günther, Stephan, Magg, Rosaly (2002): Im Handgepäck Rassismus – Beiträge zu Tourismus und Kultur. Informationszentrum Dritte Welt: Freiburg.
  • Haugen, JoAnna (2024): What Does „Decolonizing Tourism” Mean?, online: www.rootedstorytelling.com/rethinking-tourism/decolonizing-tourism-community-diversity-nature-culture   
  • Ogette, Tupoka (2017): exit racism: rassismuskritisch denken lernen, Unrast: Münster.