Decolonial Travel Guide Tanzania

LUSHOTO & USAMBARA

Henriette Seydel

In der fruchtbaren Region der Usambaraberge wird seit jeher Ackerbau betrieben. Wo einst König Kimweri, auch Simba Mwene (deutsch: Löwenkönig) genannt, über eines der größten Gebiete herrschte, eigneten sich – nach erbittertem Widerstand – 1886 die deutschen Kolonialist*innen durch Gewalt und Bestechung die Gegend an. Sie gründeten die Stadt „Wilhelmsthal“, die nach dem deutschen Kaiser benannt wurde. Im heutigen Lushoto zeugen architektonische Spuren von der deutschen Vergangenheit: zum Beispiel das ehemalige Bezirksamt, das Postamt, sowie mehrere Plantagenhäuser in den umliegenden Tälern.

Heutzutage sind die Usambaraberge, eine der artenreichsten Regionen der Welt, für Naturliebhaber*innen und Wanderfans einen Besuch wert: üppige Wälder, wunderschöne Wasserfälle, außergewöhnliche Pflanzenvielfalt und seltene Vogelarten gibt es hier zu erkunden.

Kaffee…

Aufgrund seines milden Klimas und der fruchtbaren Böden war Lushoto und das umliegende Usambara-Gebirge bei den europäischen Siedler*innen sehr beliebt. Die Deutschen waren vorwiegend an der wirtschaftlichen Entwicklung der Kolonie interessiert, insbesondere an den Export landwirtschaftlicher Produkte. 1886 wurde die „Deutsch-Ostafrikanische Plantagengesellschaft“ gegründet. Die fruchtbaren Böden wurden kultiviert und viele Plantagen angelegt, auf denen die Einheimischen mit Zwang und Gewalt arbeiten mussten. Beispielsweise bauten die Deutschen hier Sisal, Baumwolle oder Kaffee an. Zur Holzgewinnung wurden große Teile des Regenwalds gerodet. Mit der Usambara-Bahn transportieren sie die Güter auf der Schiene bis nach Tanga oder Dar es Salaam, von dort aus mit dem Schiff nach Deutschland.

… Blumen …

Wie der Name schon sagt, stammt auch das farbenfrohe Usambaraveilchen, das als beliebte Zimmerpflanze viele Wohnungen in Deutschland ziert, aus Tansania. Der Kolonialbeamte Adalbert Emil Walter Le Tanneux von Saint Paul-Illaire sandte Samen der hiesigen Usambaraveilchen nach Deutschland, wo sie typisiert und in Fachmagazinen veröffentlicht wurden. Der lateinische Name der Pflanze, „Saintpaulia ionantha“, bezieht sich auf den deutschen „Entdecker“, der sich die ostafrikanische Natur aneignete. 

… und anderes biologisches Kolonialerbe

Bei Amani im südlichen Teil der Usambaraberge wurde außerdem 1902 das Biologisch-landwirtschaftliche Forschungsinstitut Amani gegründet. Dieses war koloniales Vorzeigeprojekt angewandter naturwissenschaftlicher Forschung in den Gebieten Insektenkunde, Botanik, Parasitologie, Zoologie, Land- und Forstwirtschaft. Die Erforschung von Nahrungs- und Nutzungspflanzen wurde vor allem mit dem Ziel vorangetrieben, die Kolonie profitabel zu machen. Auch der Bakteriologe Robert Koch forschte hier während seiner Afrikareisen. Sein Beitrag zur kolonialen Tropenmedizin mit fragwürdigen Forschungsmethoden wie grausamen Menschenversuchen ist noch nicht hinreichend aufgearbeitet.

Weiterführende Informationen
  • Heyden, Ulrich van der (2007): Koloniales Gedenken im Blumentopf: Das Usambara-Veilchen und sein „Entdecker“ aus Berlin, in: Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande – Eine Spurensuche in Deutschland. 220–222. Erfurt: Sutton Verlag, 
  • Kreye, Lars (2021): »Deutscher Wald« in Afrika. Koloniale Konflikte um regenerative Ressourcen, Tansania 1892–1916, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • P. Wenzel Geißler, Rene Gerrets, Ann H. Kelly, Peter Mangesho (2020): Amani – Auf den Spuren einer kolonialen Forschungsstation in Tansania, Bielefeld: Transcript-Verlag
  • Tanga Tourism Network Association (2011): Usambara Moutains & Lushoto, in: Tourism Guide for the Tanga Region, 64-81, online: www.tangatourism.org