
Lindi an der südlichen Küste Tansanias blickt wie die Nachbarstädte Kilwa oder Mikindani auf eine lange Geschichte zurück. Im Swahili-Handelsnetz war sie wie ein bedeutender Knotenpunkt, in dem Elfenbein, Gewürze und versklavte Menschen umgeschlagen wurden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Region kolonisiert und diente den Deutschen als Exporthafen für Sisal, Kautschuk und Kopra. Außerdem war Lindi Ausgangspunkt der berühmten Tendaguru-Expedition, bei der deutsche Paläontologen Dinosaurierfossilien bargen und nach Berlin brachten – ein Beispiel für koloniale Aneignung wissenschaftlicher Ressourcen. Heute finden sich in der Stadt einzelne Gebäude aus der Kolonialzeit, die jedoch selten restauriert sind.
Es gibt keine öffentlichen Gedenkstätten, aber die koloniale Vergangenheit der Stadt ist nicht zuletzt in intergenerationellen Erinnerungen und mündlich überlieferten Geschichten spürbar.
Nancy Rushohora, Dozentin für Archäologie und Denkmalpflege an der Universität Dar es Salaam, erklärt in ihrem Artikel German Colonialism in Southern Tanzania, dass der Süden Tansanias unter anderem durch deutsche Kolonialpolitik ein sozioökonomisches Trauma erlebt hat. Die anhaltende Armut und wirtschaftliche Marginalisierung der Region sind koloniales Erbe.
